Die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 12. September sollte die Bundesregierung anspornen, Investitionen durch eigene mutige Schritte zu erleichtern. Steigende Baukosten plus rasant steigende Zinslasten hätten Investoren zuletzt „geradezu gelähmt“, so die Präsidentin des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), Iris Schöberl. „Wenn die Regierung den Schwung der geplanten Leitzins-Senkung aufnimmt, könnte sie eine Bau-Welle in Gang setzen – ein Push am Wohnungsmarkt wäre dann endlich wieder realistisch.“
Schöberl weiter: „Wohnungsmangel ist die große soziale Frage im Jahr 2024 – sie muss durch Abschied von überzogenen Vorschriften und staatlich verursachten Kosten beantwortet werden.“ Auch die Bundesländer dürften „nicht in Deckung bleiben“, sondern müssten „ihren Beitrag leisten“.
Aus Sicht von Francesco Fedele, CEO der BF.direkt, ist es noch zu früh für Zinssenkungen, auch wenn die Senkung um 0,25 Prozentpunkte für ihn wenig überraschend kommt. „Denn bei genauer Betrachtung ist die Inflationsentwicklung nicht ganz so positiv, wie die deutsche August-Inflationsrate von 1,9 Prozent vermuten lässt“, sagt er. Diese Entwicklung sei nur kurzfristig und auf die stark schwankenden Energiekosten zurückzuführen. „Schon im September könnte die Inflation wieder über 2,0 Prozent liegen“, prognostiziert Fedele. Maßgeblich sei außerdem nicht die deutsche Inflationsrate, sondern die Kerninflationsrate im Euroraum, die noch immer deutlich über dem Zielwert der Notenbank liegt.
Weiter betont Fedele, dass eine Leitzinserhöhung in der Realwirtschaft zwar nur mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren wirkt, aber die Reaktion an den Kapitalmärkten schnell erfolgt. „Die Zinssenkung der EZB könnte bewirken, dass der Markt wieder mehr Inflation erwartet, was wiederum eine Erhöhung der langfristigen Zinsen verursacht. Hingegen hat die Leitzinssenkung selbst keinen großen Einfluss auf die Zinsen von zehnjährigen Finanzierungen, die für den Immobilienmarkt entscheidend sind. Auch baut die EZB derzeit die langfristigen Anlagen vorsichtig ab, was tendenziell auch zu höheren Zinsen führt.“
Positiver psychologischer Impuls
„Die EZB lässt mit der erneuten Senkung des Einlagenzinssatzes um 25 Basispunkte den Erwartungen der Marktteilnehmer und ihrem eigenen Wording Taten folgen„, kommentiert Professor Dr. Felix Schindler, Head of Research & Strategy bei der HIH Invest. „Der weitere Weg wird aber kein Spaziergang – vor allem die Preisentwicklung im Dienstleistungssektor wird für die EZB und den mittel- bis langfristigen Inflationspfad in Richtung EZB-Ziel herausfordernd bleiben. An den Immobilienmärkten sorgt die Zinssenkung für einen positiven psychologischen Impuls und wird zur weiteren Marktstabilisierung beitragen, auch wenn sie – wie auch an den Kapitalmärkten – bereits eingepreist ist.“
„Die heutige Zinsentscheidung der EZB bestätigt die Erwartung der Marktexperten und ist im aktuellen Zinsniveau bereits eingepreist, so dass unmittelbar keine nennenswerte Änderung der Finanzierungskosten zu erwarten sind“, sagt Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden der Hamburg Commercial Bank. Trotzdem sei die Zinssenkung eine gute Nachricht für die Immobilienbranche, „weil Investoren jetzt sicherer sein können, dass der Zinspeak erstmal hinter uns liegt und Kaufpreise auf dieser Basis wieder seriöser kalkuliert werden können. Dies wird zu einem sukzessiven Anstieg der Transaktionsvolumina beitragen.“
Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment Management der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe, spricht von einem gesunden Zinsniveau, mit dem die Immobilienbranche grundsätzlich wirtschaftlich arbeiten könne. „Klar ist: Die alten Zinsniveaus sind Geschichte, auch wenn die EZB die Leitzinsen gesenkt hat und die USA dies auch tun werden. Die Erkenntnis hat sich auch auf den Immobilienmärkten durchgesetzt. Bei den Preisen haben wir mittlerweile die Bodenbildung erreicht. Daher ist jetzt der Zeitpunkt, an dem langfristig orientierte Investoren sich wieder konkret damit befassen, neue Investments zu tätigen und das Abwarten beenden. Family Offices und internationale Investoren sind hier schon einen Schritt weiter und tätigen erste Investments.“
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